Impuls von Prof. Georg Steiner aus der NEUEN MITTE 03-2024
Die Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung (KKV) haben Prof. Georg Steiner (im Bild rechts) einstimmig zum neuen Landesvorsitzenden des KKV-Bayern gewählt. Die Wahl erfolgte während der Delegiertenversammlung in Nürnberg. Steiner, bislang Vorsitzender der KKV-Ortsgemeinschaft Passau und Stellvertreter von Dr. Klaus-Stefan Krieger, tritt die Nachfolge Kriegers an, der nach 20 Jahren engagierter Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen zurücktritt. Dr. Krieger wurde von den Delegierten zum Ehrenvorsitzenden ernannt.

Prof. Steiner hat sich intensiv mit der Rolle eines katholischen Verbandes im 21. Jahrhundert auseinandergesetzt. In einem Papier zur „Relevanz eines katholischen Verbandes im 21. Jahrhundert“ betont er, dass es wichtig sei, „mit den Positionen insbesondere auch aus der Katholischen Soziallehre heraus auf Gesellschaft und Politik einzuwirken und auch ernst genommen zu werden.“ Angesichts eines anhaltenden Vertrauensverlusts der Amtskirche sieht Steiner im Engagement kirchlicher Verbände eine Chance, Menschen für die Kirche und die Botschaften des Evangeliums zurückzugewinnen.
Steiner wies darauf hin, dass nicht nur eine ökologische, sondern auch eine geistige Klimakrise vorliege. Er kritisierte das überhitzte Klima der aktuellen Debatten sowie einen Rückgang der Meinungsvielfalt, welche mit zunehmender Intoleranz bei gesellschaftlich relevanten Themen einhergehe. Bereiche wie Ehe und Familie, sexuelle Orientierung, aber auch geopolitische Krisenherde seien hiervon betroffen. Diese Situation benötige „einen neuen Umgang miteinander, neue Antworten auf einer Metaebene, die zusammenführt anstatt weitere Gräben auftut.“ Er verweist hierbei auf das biblische Zitat „Wer ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein“, um die Notwendigkeit der Versöhnung und Brückenbildung zu unterstreichen.
Des Weiteren machte Steiner deutlich, dass Religion und Glaube sich zunehmend zwischen Fundamentalismus und totaler Gleichgültigkeit bewegen. „Sein“ KKV müsse jedoch einen Beitrag dazu leisten, das Evangelium positiv in die Gesellschaft einzubringen. „Aktuell geht es nicht mehr nur darum, Gott in unserer Welt zu verlieren, sondern auch das Menschliche,“ betonte Steiner und kritisierte die Fehlentwicklungen infolge neoliberaler Weichenstellungen.
Der Landesverband plant, weiterhin Denkanstöße zu gesellschaftlichen und religiösen Fragen zu geben und will eine lebendige Kirche fördern, die auch Laienliturgie in attraktiven Formaten ermöglicht. Ziel sei es, neue Räume und Anknüpfungspunkte für Ökumene zu erschließen und auch Menschen anzusprechen, die der Amtskirche fernstehen.
Der KKV Bayern besteht aus zehn Ortsgemeinschaften in verschiedenen Bistümern sowie direkt im Landesverband organisierten Mitgliedern. Zudem betreibt der Verband ein Bildungswerk, welches Seminare, Vorträge, Freizeiten und Reisen anbietet und sich mit Glaubens- und Gesellschaftsfragen auseinandersetzt.
Fünf Fragen an den neuen Landesvorsitzenden
Die katholische Kirche – und mit ihr auch die katholischen Verbände – befinden sich in einem großen Dilemma: Die christlichen Werte sind aktuell wie eh und je – aber immer weniger Menschen wollen mit der Amtskirche oder dem Umfeld noch etwas zu tun haben. Worin sehen Sie die herausragende Aufgabe des KKV in dieser Gemengelage?
Verbände werden als Kirche anders wahrgenommen als die Amtskirche. Sie müssen sich aber mit neuen Formaten (von Veranstaltungsangeboten bis zu einer „Verbands-Liturgie“) so präsentieren, dass Inhalte und Attraktivität der Gemeinschaft gleichermaßen anziehend wirken. Das hängt immer auch mit Personen zusammen. Es gibt mehr Menschen als man glaubt, die sich mit Glauben, Spiritualität und Kirche beschäftigen, aber nach außen nicht groß erscheinen. Aufgabe eines Verbandes ist es auch, glaubwürdige, interessante Menschen für den Diskurs und für Ansätze zu gewinnen, die vorhandene Polarisierungen überwinden, die den Blick für Metaebenen eröffnen. Das ist auch eine intellektuelle Herausforderung. Beten alleine wird nicht mehr reichen. Wir müssen auch handeln.
Der KKV-Bundesverband hat den Begriff „WertWerker“ im letzten Jahr geprägt und im Kern die Menschen und die KKV-Mitglieder damit aufgefordert, im Alltag mit den christlichen Werten zu arbeiten und sie als „Werkstoff“ für ihr Leben zu nutzen. Was sind für Sie „WertWerker“?
Es muss darum gehen, diese „Werte“ von denen gerne und schnell gesprochen wird, in unsere Zeit zu übersetzen. Gerade im Fall des KKV, wo der ehrbare Kaufmann, wo die katholische Soziallehre besonders im Focus steht, müssen wir Werte / Begriffe wie Nachhaltigkeit, Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, Seriosität, Wertschätzung der Mitarbeiter und der Kunden, Gemeinwohl, Kooperation aufnehmen und mit Leben erfüllen, um den Herausforderungen der völlig aus dem Ruder laufenden Wirtschafsexzesse etwas entgegenzuhalten. Der KKV kann und soll dabei auch eine Bühne für Vorbilder, die es zuhauf gibt, sein. Wir müssen aber auch – gemäß unserem Jahresmotto 2024 und 2025 „Kirche weiter denken“ – auf die Suche nach Verbündeten gehen. Dazu gehört die Ökumene im weitesten Sinne, aber auch Menschen, die bereits aus der Kirche ausgetreten sind.
Der KKV ist auf dem Weg, von sich selbst ein neues Bild zu entwickeln. Auf dem Fundament der christlichen Werte soll der KKV zukunftsfähig aufgestellt werden und so auch für junge Menschen wieder ein attraktiverer Verband werden. Wo sehen Sie persönlich das wesentliche Alleinstellungsmerkmal, das den KKV künftig von anderen katholischen Verbänden unterscheiden sollte?
Der KKV ist im Bereich Wirtschaft und Gesellschaft unterwegs. Es geht darum, dieses System neu zu justieren – von den Sozialsystemen über überbordende Regulierungen und Bürokratie (Paternalismus) bis zu Fragen, wo unsere soziale Marktwirtschaft aus dem Ruder gelaufen ist. Wo sind Handlungsfelder, um unsere Welt menschlicher, nachhaltiger, solidarischer zu gestalten. Das Subsidiaritätsprinzip gehört zu den Perlen christlicher Sozialethik, wird aber leider im eigenen „Konzern“ mit Füßen getreten. Aber der KKV ist keine Partei. Bei uns muss immer auch erkennbar sein, dass wir das aus dem Geist des Evangeliums, aus christlicher Spiritulität und mit einem besonderen ethischen Anspruch gestalten wollen.
Sie haben sich in Ihrem beruflichen Leben und Ihrer akademischen Arbeit intensiv mit der „Neugestaltung von Tourismus“ auseinandergesetzt. Was können Sie aus dieser Erfahrung auf den KKV übertragen?
Es geht heute mehr denn je um Narrative und weniger um „Zielgruppen“. Die Heilige Schrift ist sozusagen das „Original“, wenn es um Narrative geht. Aber viele Menschen sind zu religiösen Analphabeten geworden. Die Sprache der Bilder, der Symbole ist uns fremd geworden. Wir müssen uns wieder auf die Suche begeben, wie denn unser Glaube so geworden ist und warum er über 2000 Jahre diese Faszination entwickelt und ausgestrahlt hat. Die Weitergabe in den Familien ist weitgehend abgerissen, wir leben heute schon in einer stark säkularisierten Welt. Es geht darum – wie beim Erkunden von Städten – dass man sich einer Führung anvertraut, die uns weniger die Daten und Fakten erklärt, sondern das „making of“ – und hier kann auch der KKV seinen Beitrag leisten, weil er nach meiner Einschätzung niederschwelliger und authentischer als die Amtskirche wahrgenommen wird. Wir werden beim KKV Bayern 2025 ein neues Format, das sich „Kirche – wo bist Du“ nennt, etablieren. Es geht um das Erkunden spiritueller Orte im Alltag der Menschen.
Wie stellen Sie sich den KKV in zehn Jahren vor?
Jede Welle die nach unten geht, geht auch wieder nach oben – davon bin ich überzeugt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses Vakuum, das nun über Jahrzehnte entstanden ist, sich nicht auch wieder im Sinne christlichen Lebens, im Sinne von Fragen, die über den Tag hinaus gehen, füllen wird.
Nachdem ich davon überzeugt bin, dass unser metapyhsischer Zugang doch der Überzeugendere ist glaube ich, dass die Oberflächlichkeit, die Perspektivlosigkeit verschiedener Angebote und Entwürfe wie wir sie gerade sehen, nicht dauerhaft tragen werden. Aber wir dürfen nicht mit dem Anspruch kommen, dass wir es schon immer besser gewusst haben. Die Konkurrenz wird weiter groß sein. Ich möchte keine Panik schieben – aber vor der massiven Bewegung aus dem islamischen Bereich habe ich schon großen Respekt und das sollten wir ernst nehmen, im Sinne der Bewahrung unseres christlichen Abendlandes – da steht einiges auf dem Spiel.
Unser Impulsgeber
Geboren im Jahr 1958, ist Prof. Georg Steiner verheiratet und Vater von zwei Kindern. Seit einem Jahr genießt er seinen Ruhestand. Prof. Steiner kann auf eine beeindruckende Karriere im Tourismusbereich zurückblicken, die sich über mehr als vier Jahrzehnte erstreckt. Unter anderem diente er als Geschäftsführer des Tourismusverbandes Ostbayern und war zuletzt über 16 Jahre als Tourismusdirektor der oberösterreichischen Landeshauptstadt Linz tätig.
Derzeit engagiert sich Prof. Steiner in der akademischen Lehre an der Universität Passau sowie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt mit dem Schwerpunkt „Transformation und nachhaltige Lebensraumentwicklung – Tourismus neu gestalten“. Im Jahr 2019 wurde ihm der Titel „Professor“ als Berufstitel durch den österreichischen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen verliehen.
Seit 2020 führt er den Vorsitz der KKV-Ortsgemeinschaft Passau und wurde im Jahr 2023 zum stellvertretenden Landesvorsitzenden des KKV gewählt. Darüber hinaus ist Prof. Steiner Mitglied des Diözesanrates im Bistum Passau sowie des Stadtrates von Passau.

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